Wir Deutschen sind ein besiegtes Volk. Wir haben unser Besiegtsein derart internalisiert, daß es zum Kern deutscher Identität zu Beginn des 21. Jahrhunderts geworden ist. Dies hat weitreichende Konsequenzen, die jeden betreffen. Der Unwille oder die Unfähigkeit, eigene Interessen zu definieren, die Überidentifikation mit dem Schicksal anderer Nationen, die Bevorzugung des Fremden vor dem Eigenen, gesellschaftliche Großexperimente mit ungewissem Ausgang oder die Kriminalisierung der Artikulation eigener volklicher Identität sind nur einige Beispiele hierfür.
„Wer Schuldgefühle ad infinitum pflegt, darf sich nicht wundern, wenn andere daraus monetären Nutzen ziehen wollen“, schreibt Bruno Bandulet am Ende seines neuen Buches „Rückkehr nach Beuteland“. Der Autor und Publizist knüpft damit unmittelbar an seinen großen Erfolg „Beuteland“ an, der 2016 erschien.
Neuauflage der vorherigen These
Inzwischen sei so viel geschehen, so Bandulet im Vorwort, daß es den Rahmen einer aktualisierten Neuauflage sprengen würde. Er analysiert die multiplen Krisenphänomene der jüngsten Gegenwart und ordnet sie in den politisch-historisch-ideologischen Gesamtkontext seit 1945 ein, der Gegenstand des ersten „Beuteland“-Buches war. Souverän beschreibt er die Wesensmerkmale dieser Krisenerscheinungen und bezieht diese stringent auf seine 2016 formulierte These. Seine besonderen Stärken hat das Buch in der Analyse der Funktionsweise und Verbreitung der vorherrschenden Ideologie, die Deutschland mehr denn je zum Beuteland macht.
In beiden Büchern bezieht sich Bandulet auf einen Artikel aus dem Figaro von 1992, in dem der just verabschiedete Vertrag von Maastricht in eine Reihe mit dem Versailler Vertrag gestellt worden ist. Wiederum habe Deutschland vor Frankreich kapituliert und sich ohne großen Widerstand die „deutsche Atombombe“, also die D-Mark, abverhandeln lassen.
Wohingegen Adenauer noch darum bemüht gewesen sei, die innen- und außenpolitische Souveränität Deutschlands wiederherzustellen, sei der Preis der Wiedervereinigung eine als europäischer Einigungsprozeß euphemistisch kaschierte, bis heute anhaltende Kapitulation Deutschlands vor allem in finanz- und geldpolitischem Bereich gewesen.
„Wir werden uns natürlich selbst schaden“
In „Rückkehr nach Beuteland“ attestiert Bandulet unter dem Vorwand aktueller Krisenbewältigung eine Verschärfung bereits vorhandener Tendenzen, aus Deutschland eine weisungsgebundene Dependance anderer Nationen, supranationaler Institutionen und globalistischer Interessenverbände zu machen. Fünf der insgesamt acht Kapitel widmen sich konkreten Krisenerscheinungen: Migration, Klima, Krieg und Frieden, Europa und Falschgeld. So legt er im Klima-Kapitel überzeugend dar, wie die zur Religion erhöhte Klimapolitik instrumentalisiert wird, um in Deutschland eine Planwirtschaft einzuführen, die sich an willkürlich formulierten, zu erfüllenden Normen orientiert.
In „Krieg und Frieden“ analysiert Bandulet, wie die USA den Ukraine-Krieg benutzen, um ihr strategisches Ziel, Europa von russischen Energielieferungen abzuschneiden, um selbst Hauptlieferant zu werden, langfristig verfolgt und, als der Moment gekommen war, konsequent realisiert haben. Sie hatten dabei einfaches Spiel, da sie bei uns auf eine politische Elite trafen, die nicht einmal mehr vorgab, deutsche Interessen zu vertreten: „Wir werden uns natürlich selbst schaden. Das ist ja völlig klar“, zitiert Bandulet an dieser Stelle Vizekanzler Robert Habeck.
Schuld als Herrschaftsinstrument
Doch welcher Mechanismus liegt hinter diesem oftmals moralisch überhöhten Unterwerfungswillen, der in unserem Land mehrheitsfähig zu sein scheint? Diesem Komplex nähert sich der Autor in den Kapiteln Propaganda und Geschichte, wobei, so die nicht direkt formulierte Prämisse, zweitere mittlerweile ganz im Dienste von ersterer stehe.
Die offizielle Historiographie in der Bundesrepublik stelle seit geraumer Zeit ihre Forschung unter Ideologievorbehalt. Wissenschaftlich erforscht werde nur noch das, was dem Narrativ der Schuldtranszendenz diene. Ein schuldiges Volk wehrt sich nicht gegen sein Beutedasein, sondern akzeptiert es als legitime Sühneleistung für vergangenes Unrecht. Hier zitiert Bandulet den 1999 verstorbenen ZDF-Journalisten Johannes Gross, der treffend zu Protokoll gab: „Die Verwaltung der deutschen Schuld und der Pflege des deutschen Schuldbewußtseins sind ein Herrschaftsinstrument.“
Von Jacques Ellul zu Nordstream 2
Je länger der Nationalsozialismus zurückliege, desto besessener werde die Suche nach dem ewigen Nazi. Im Propaganda-Kapitel rezipiert Bandulet unter anderem die Forschung des französischen Publizisten Jacques Ellul, dessen 1962 veröffentlichtes Buch „Propaganda“ jetzt endlich in deutscher Übersetzung vorliegt. Propaganda, so Ellul, arbeite kontinuierlich, durchdringe jeden gesellschaftlichen Bereich und sei konkret, also anschlußfähig an aktuelle Ereignisse oder Krisen. Ob Medien, Schulen, Universitäten, Filme oder Serien: Es ist offensichtlich, wie die permanente Bespielung der Schuldklaviatur dazu beiträgt, immer weniger Gespür für das legitime Selbstinteresse der eigenen Nation zu entwickeln.
Gebannt folgen wir Bandulet bei seinen Ausführungen, der als Volkswirt, Politologe und Historiker Experte für alle Themenbereiche ist, die er in seinem Buch anreißt. Seine These, Deutschland sei kein souveränes Land, mag harsch klingen, wurde aber im Vorfeld des Ukraine-Krieges eindrücklich bestätigt. Es werde kein Nordstream 2 geben, falls Rußland die Ukraine angreife, erklärte Joe Biden bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Olaf Scholz am 7. Februar 2022, der zu diesem Zeitpunkt noch voll hinter dem Projekt stand.
Der Bundeskanzler stand daneben und sagte … nichts. An diesem Tag wurde deutlich, daß wir für die Amerikaner nicht mehr sind als ein tributpflichtiger Vasall, oder in anderen Worten: Beuteland. Das vorliegende Buch sei allen empfohlen, die wissen wollen, wie es dazu kommen konnte.